die Geistheiler

Damals wurden die Geburtstermine noch nicht den Arbeitsplänen der Gynäkologinnen und der Hebammen untergeordnet. Damals gab es noch Spontangeburten. Ich habe mir für meine Geburt den Pfingstsonntag ausgewählt. An diesem Festtag feiern die Christen die Entsendung des Heiligen Geistes.
Es wird sie nicht wundern; ich finde diesen Feiertag im Kirchenjahr den Besten. Nicht, dass ich dem Heiligen besonders zugetan wäre. Es ist der Geist, der mir besonders lieb ist.
In diesem Jahr fiel mein Geburtstag wieder einmal auf den Pfingstsonntag. Die Erdbeeren waren reif. Am Himmel wärmte die Sonne.
Mit einer Schale Erdbeeren, einer Kugel Vanilleglace mit Nidle obendrauf, so sass ich schlemmend in einem Gartenbeizli. Meine Sinne alle offen und bereit ihn zu empfangen. Ihn, den Geist.
Was ich nicht wusste, an diesem Sonntag hatte Göttervater Zeus Dienst.
Er sandte vom heiteren Himmel tausend flammende Pfeile direkt in meinem Körper. Stach mir unbarmherzig in den Körper, lege die untersten Wirbel meines Rückens lahm, entzündete meine Vulva und zog mir alle Kraft aus den Beinen. Ich lag auf dem Rücken im dunklen Loch der Schmerz-Hölle. Mein Inneres kämpfte gegen das Chaos und die gefühlte Endzeitstimmung.
Die Schulmedizin verfolgte mehrere Fehldiagnosen. Die Schmerzen übernahmen die Führung. Mein mürbes Gehirn stellte das Denken ein.
Auf der Handlungsebene versuchte ich es mit warmen Wickeln, schluckte Weihrauch, Gelbwurz und Arnikakügeli. Immer mehr gab ich den Dingen Raum, die etwas mit dem Glauben zu tun haben!

Fahr zu einem Geistheiler, riet die beste Freundin.
Die Auswahl ist riesig. Googelt man das Stichwort «Geistheiler», erhält man mehr als 10’000 Treffer für die Schweiz. Das Angebot ist unüberschaubar.
Es gibt Geistheiler, die mit Engeln oder Geistern sprechen oder mit kosmischen und sonstigen Energien kurieren. Schattenarbeit und Handauflegen sollen ins Licht führen. Fernheilung via Telefon ist möglich.

Das Angebot an „Glaubenssätze“ die im Verborgenen wirken ist weit.
Ich spürte es mehr, als ich es dachte. Ich will mein Zepter nicht an Glaubenssätze abgeben. Mich nicht zur Sklavin machen.

Ein leiser Zweifel schleicht sich ein. Grad lese ich, Norwegens Prinzessin Märtha Louise lebt jetzt mit einem Schamanen zusammen.