vom rosaroten Abendhimmel
Die Mandel-Tarte ist noch lauwarm. Die Erdbeeren frisch. Die Nidle zum Berg aufgeschlagen. Die Gespräche mit der Freundin gemütserwärmend. Intensiv und lebhaft. Offen bleibt einzig die Frage ob es angebracht wäre, als Alleinstehende die eigene Todesanzeige noch bei wachem Verstand frühzeitig aufzusetzen und schon mal vorsorglich die dazugehörigen Briefumschläge handschriftlich zu adressieren. Frau will dann ja mal nicht still und ohne Paukenschlag von der Bildfläche verschwinden.
Die Zeit verrinnt. In der grossen Stadt pulsiert der Feierabendverkehr.
Kennen Sie den abendlichen Stau auf der Autobahn Zürich-Winterthur?
Also befehlige ich meinem Navi für die Heimfahrt die Stadt grossräumig zu umfahren. Es soll mir Feld- Wald und Wiesenwege für eine freie Fahrt suchen. Was für eine meisterliche Idee. Zu spät merke ich, meine grossartige Idee teile ich, gefühlt mit tausend anderen Heimfahrern.
Einen Meter vor. Stehen. Einen nächsten Meter. Stehen. Radio SRF2 hören.
Ein Zug aus der Zigarette. Mich hingeben.
Abbiegen auf die Landstrasse. Die weiten gelben Rapsfelder wiegen in der trockenen Bise.
Vor einem Riegelhaus verheisst eine Tafel die besten Spargeln der Region.
Die Gaststube ist gut besucht. Die Tische eng gestellt. Ich bitte die Wirtin um einen Platz. Sie lässt mich lange neben dem grünen Kachelofen stehen. Eine Frau alleine? Auf dem Land lässt sich das festgefügte Weltbild leicht irritieren. Wo soll sie mich platzieren?
Am Tisch bei einem älteren Paar.
Eine Brennesselsuppe wird mir zum Vorgang empfohlen. Mich schaudert beim Gedanken an ihre Brennhaare. Vielleicht ein paar Felchenfilets zu den Spargeln? Nein danke. Nein, auch keine Pommes-Frites. Einzig köstlich weisse Stangen mit einer feinen hausgemachten Sauce will ich geniessen.
Der Kellner legt mir die Serviette um. „Aah , wie im Altersheim“ sage ich und lache.
Meine Tischnachbarn sind ganz vertieft ineinander. Sie lachen und tauschen Zärtlichkeiten aus. Ihre Füsse stecken in Wanderschuhen.
Sie berühren sich immer wieder mit den Händen und einigen sich auf einen Dessert. Vanilleglacé mit frischen Erdbeeren. Bitte mit zwei Löffeln.
Im Wechsel schieben sie sich den gefüllten Löffel in den Mund. Sie nähren sich gegenseitig.
Vor dem Fenster färbt sich der Abendhimmel. Rosarote Wolken leicht verwischt in dunkles Blau.
So nahe war ich der Liebe lange nicht mehr.